
Was ist Systemische Therapie?
Die Systemische Therapie betrachtet den Menschen als Teil eines Systems. Alle Personen in einem System hängen unmittelbar miteinander zusammen beispielsweise in einer Familie. Veränderungen in einem System wirken sich daher auf alle Mitglieder aus. Gestörte Beziehungen oder ungünstige Kommunikationsmuster innerhalb des Systems können die psychische Gesundheit einzelner Mitglieder beeinträchtigen.
Systemische Therapeuten führen daher die Probleme einer Person auf eine Störung im System zurück. Im Unterschied zu anderen Therapierichtungen liegt der Fokus nicht darauf, die Einflüsse zu finden, die krank machen. Denn in der Systemischen Therapie geht der Therapeut davon aus, dass jede Störung auch einen bestimmten Zweck im System erfüllt. Gemeinsam mit dem Patienten versucht er, die Funktion der Symptome innerhalb des Systems aufzudecken.
Die Systemische Therapie hat sich aus der Familientherapie entwickelt. Sie wird daher auch Systemische Familientherapie genannt. Vertreter systemischer Ansätze haben erkannt, dass nicht nur die Familie für die psychische Gesundheit eine Rolle spielt. Sie haben die Familientherapie erweitert und beziehen alle relevanten Beziehungen des Patienten in die Systemische Therapie ein.
Neben der Familie können zum Beispiel die Partnerschaft oder Beziehungen zu den Mitschülern oder Arbeitskollegen eine Rolle spielen. Die Systemische Therapie kann auch im Einzelsetting stattfinden. Die Bezugspersonen sind dann nicht anwesend, aber der Therapeut kann stellvertretend zum Beispiel mit Symbolen arbeiten, um die Bezugspersonen miteinzubeziehen.
Obwohl die Systemische Therapie in anderen Ländern schon längere Zeit als wirksame Psychotherapie angewandt wird, ist sie in Deutschland erst seit 2008 wissenschaftlich anerkannt. Bis die Krankenkassen die Kosten der Systemischen Therapie übernehmen, wird es noch einige Jahre dauern
Was macht man bei einer Systemischen Therapie?
In der Systemischen Therapie geht es zunächst darum, die Beziehungsstrukturen und Muster innerhalb des Systems zu verstehen. Wer nimmt welche Rollen ein? Warum verhält sich eine Person auf eine bestimmte Weise? Wie interagieren die Personen miteinander? Unausgewogene Beziehungen, ungesunde Muster, sowie eine ungünstige Kommunikation gelten in der Systemischen Therapie als entscheidende Einflussfaktoren für psychische Probleme. Die Lösung besteht demnach darin, diese ungünstigen Muster zu verändern.
Der Therapeut konzentriert sich dafür auf die bestehenden Ressourcen, die der Patient und seine Bezugspersonen mitbringen. Häufig verfügen die Betroffenen über Fähigkeiten, die sie bisher nicht genutzt oder falsch eingesetzt haben. Das könnte die Fähigkeit sein, gut zuzuhören, Streits zu schlichten oder auch sich durchsetzen zu können.
Für die Behandlung von psychischen Störungen erkundet der Therapeut zudem, welche Funktion die Symptome im System haben. Ein Beispiel wäre eine depressive Mutter, die allein erziehend ist und Angst davor hat, dass ihr Sohn sie verlassen könnte. Ihre Depression trägt dazu bei, dass der Erwachsene Sohn nicht auszieht, weil er um sie besorgt ist.
Das bedeutet jedoch nicht, dass der Therapeut der Mutter eine böse Absicht unterstellt. Die Auswirkungen im System sind den Betroffenen meist nicht bewusst. Wenn Betroffene die Zusammenhänge verstehen und sehen, welchen Sinn ihre Symptome in einem System haben, können sie diese leichter bewältigen.
Der Therapeut verwendet unter anderem folgende Systemische Therapie-Methoden, damit die Zusammenhänge im System und alternative Lösungsmöglichkeiten sichtbar werden:
Systemische Therapie: Zirkuläre Fragen
Häufig setzen systemische Therapeuten zirkuläre Fragen ein. Sie befragen den Betroffenen nicht direkt über seine Gefühle zu einer anderen Person, sondern versetzen den Betroffenen in die Sichtweise einer dritten Person. Als Beispiel könnte der Therapeut einen Vater fragen, wie dessen Sohn die Beziehung zwischen dem Vater und der Mutter beschreiben würde. Dieser Perspektiv wechsel kann zu Beginn etwas verwirrend und ungewohnt sein. Das zirkuläre Fragen ermöglicht aber, dass der Blick sich immer auf dem gesamten System richtet.
Systemische Therapie: Genogramm
Damit der Therapeut einen Einblick in die Familienstruktur erhält, bittet er die Familie, ein Genogramm zu erstellen. Im Genogramm kann die Familie nicht nur ihren Familienstammbaum zeichnen, sondern auch mit unterschiedlichen Linien die Beziehungen untereinander darstellen. Dicke Linien können eine starke Bindung und zerbrochene Linien einen Konflikt ausdrücken. Das Ziel der Familientherapie ist es, starre Muster und festgefahrene Gedanken aufzulösen. Denn dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten, die Konflikte zu bearbeiten.
Systemische Therapie: Familienaufstellung
Ähnlich wie bei die Familienskulptur werden auch bei der Familienaufstellung Personen im Raum positioniert, um die Beziehungen im System zu veranschaulichen. Es sind jedoch nicht die Familienmitglieder selbst, die aufgestellt werden. Aus einer Gruppe werden neutrale Personen gebeten, sich stellvertretend für die Familienmitglieder aufstellen zu lassen. Auch der Patient selbst wählt einen Stellvertreter für sich aus.
Der Patient positioniert daraufhin die Personen entsprechend seinem Familienbild im Raum. Danach setzt er sich an den Rand und kann die Interaktion von außen beobachten. Der Therapeut befragt die aufgestellten Personen, wie sie sich in ihrer Position fühlen. Obwohl die Teilnehmer die persönliche Geschichte des Patienten nicht kennen, ergeben sich oft ähnliche Dynamiken, wie sie tatsächlich in der Familie vorherrschen. Wenn einzelne Personen ihre Position verändern, ändert sich auch die Dynamik. Auf diese Weise können Lösungsmöglichkeiten ausprobiert werden.
Die Familienaufstellung ist eine umstrittene Methode. Die Kritik an der Familienaufstellung entstand durch die Arbeit von Therapeuten, die für eine Familienaufstellung nicht ausreichend ausgebildet waren oder diese Methode zu ihrem Vorteil ausgenutzt haben. Auch entsprechen sie mitunter nicht der offenen, respektvollen und unvoreingenommen Haltung, die der Systemische Therapeut zum Wohl seines Patienten einnehmen soll.